Sophie Aigner | I want to carve the message in stone

Eröffnung Freitag, 21. November, 19h 
Buchpräsentation & Talk moderiert von Nicole Büsing & Heiko Klaas 20h

Midissage: Samstag, 22. November, 15-19h
Finissage: Sonntag, 23. November, 15-19h
Ausstellung: bis 23. November, Besuch außerhalb der Öffnungszeiten nach Vereinbarung

I want to carve the message in stone... Ein Abdruck, eine Kerbe, eine Spur im Material. Bei Sophie Aigner sind es keine zufälligen Spuren, sondern Gesten des Festhaltens. Ihre Keramiken wirken wie eingefrorene Momente: unglasiert, roh, dennoch von einer fast archäologischen Präsenz. Im Titel ihrer Werkserie I want to carve the message in stone liegt zugleich Anspruch und Eingeständnis: der Versuch, etwas Ephemeres einzuschreiben in Materie, wissend, dass selbst Stein nicht ewig hält.

Aigners Arbeit bewegt sich in jenen Zwischenräumen, in denen Geste und Erinnerung, Körper und Form, Text und Material in Korrespondenz treten. Ihre Oberflächen, Tonplatten mit Ritzungen, Ausschnitten, Silhouetten von Füßen, Fingern, Nasen oder Ohren, richten den Blick nicht auf Abbild oder Anatomie, sondern auf die Spur: Körperfragmente werden zu Zeichen, die mehr von Abwesenheit erzählen als von Präsenz. Leerstellen werden zu Speicherorten von Verlust und Bedeutung; das, was fehlt, spricht oft lauter als das, was sich zeigt.

Doch sie formt nicht einfach, sondern zeichnet mit dem Material. Der Ton reagiert, verzieht sich, splittert, trägt Spuren von Bewegung und Berührung. Jede Kerbe ist zugleich Verletzung und Einschreibung, jeder Riss verhandelt Zeit, Halt und Zerbrechlichkeit. In der Verwandlung vom Weichen ins Harte, vom Formbaren ins Starre, liegt eine Zeitlichkeit, die Aigners Arbeiten durchdringt. Kleine Monumente des Alltäglichen, widerständig in ihrer Zartheit, verletzlich in ihrer Kraft.

Der Blick auf die fotografischen Arbeiten erweitert die Perspektive: Die Fotomontagen greifen das Thema der Spur, der Verknüpfung und des Zusammenhangs auf. Aigner konstruiert dabei fiktive Bildräume, in denen fotografische Fragmente zu zeichnerischen Kompositionen werden, weniger dokumentarisch als vielmehr imaginativ. Das Medium Fotografie dient ihr nicht als Mittel der Abbildung, sondern als Material, aus dem sich neue, überlagerte Bildkörper formen. Die Arbeiten verhandeln Sichtbarkeit und Abwesenheit zugleich und stehen, ebenso wie die Keramiken, im Zeichen von Erinnerung, Fragment und Spur.

In der Ausstellung treten neben den Wand­ objekten freistehende Schilderobjekte auf, montiert auf Stahlstangen wie Signale im Raum und erweitern die Formensprache: Von der intimen Platte in den öffentlichen Raum, vom persönlichen Abdruck zum räumlichen Zeichen. Auch das Gelb, das sich durch viele Arbeiten zieht, wirkt als Signalfarbe. Ein Bruch in der Ruhe des Tons, ein Moment von Warnung oder Ironie, eine sichtbare Geste, die Aufmerksamkeit fordert. Die mit der gelben Signalfarbe gerahmten Foto-Arbeiten, an Stahlseilen von der Decke hängend, schließen formal an die Schilderobjekte an. Es entstehen Bezüge zwischen Fläche und Raum, Zeichen und Signal, zwischen den Leerstellen des Bildes und der Materialität der Form.

Zwischen poetischer Intimität und öffentlicher Geste entfaltet sich Aigners leise, eindringliche Praxis. Ihre Werke suchen Halt in einer Welt, die eben nichts hält. Sie graben im Körpergedächtnis nach Bedeutung, in der Sprache nach Form, im Material nach Erinnerung.Sprache wird Form, Form wird Gedicht: Das Loch in der Platte entspricht der Lücke im Satz, die Kerbe im Ton einem Bruch im Erzählen.

I want to carve the message in stone formuliert ein Paradox: den Wunsch, dem Vergänglichen Dauer zu verleihen. Aigner weiß, dass das nicht gelingt, und genau darin liegt die Schönheit ihrer Arbeit: im Versuch selbst, in der unvollkommenen Geste, die bleibt, wenn alles andere vergeht.

Text: Pola van den Hövel

Sophie Aigner (*1978 lebt und arbeitet in Berlin) studierte Skulptur und Medien an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) in der Klasse von Thomas Demand sowie Fine Art an der Bauhaus‐Universität Weimar.

Ihr künstlerisches Spektrum umfasst Keramik, Fotografie, Text und Künstler:innenbücher. Seit mehreren Jahren untersucht sie Fragilität, Erinnerung und die Spuren des Körpers in räumlicher, bildlicher und textlicher Form.