Markus Lohmann

Der öffentliche Raum hat eine soziale Funktion, nämlich die der Nutzung und Gestaltung durch die Bürger. Zunehmend kollidieren in deutschen Städten jedoch die unterschiedlichen Nutzungsansprüche der „Öffentlichkeit“ mit denen der Investoren. Der öffentliche Raum ist Austragungsort der divergierenden Interessen, aber auch Bühne, auf der diese repräsentiert werden. Spuren dieses „Kampfes“ zeigen sich auch jenseits direkten politischen Auseinandersetzung im Erscheinungsbild unserer Städte. Markus Lohmann setzt sich in seiner künstlerischen Arbeit mit dem Konfliktfeld „öffentlicher Raum“ auseinander, sei es mit Aktivitäten im Rahmen von Skulpturenpark Berlin_Zentrum, seinen eigenen Arbeiten im Stadtraum oder seinen Objekten.

Er greift die Spuren der Auseinandersetzung als Material auf – beispielsweise, wenn er illegal geklebte Plakatfelder für seine Papierschnitte abnimmt; oder er verstärkt sie, wenn er Mietshäuser wie Körper behandelt und sie mit Piercings, Siegelringen oder Tatoos versieht, wie bei seiner Ausführung zum Hagenbeck-Haus in Hamburg. Um nicht zu einem „Parasit“ der subkulturellen Praxis zu werden, erarbeitet Lohmann seine Werke im Wechselspiel von Annäherung und Reflektion sowie mit einer respektvollen Aneignung handwerklicher Fähigkeiten. „Street Art“ erscheint als Folklore im traditionellen Sinne, nämlich als Ergebnis einer nicht institutionalisierten kulturellen Aktivität. Lohmann überträgt diese allerdings nicht 1:1 in den Kunstkontext, sondern transformiert sie, um eine vielschichtige Aussage machen zu können. 2011 entstand eine Reihe neuer Werke, u.a. Papierschnitte, die öffentlich produziertes Plakatmaterial verwenden und Abgüsse von vergrößerten Schmuckelementen aus Hartgummi.

Auf seinen Streifzügen durch die stark im Wandel begriffene Stadt Hamburg, nimmt Lohmann wahr, wie die jeweilige Bewohnerstruktur der Stadtviertel auch die Ästhetik der Veranstaltungsplakate prägt. Nur wo Eigentum nicht geregelt ist und keine „öffentliche Hand“ für Ordnung sorgt – können die Plakatflächen so dick werden, dass sie als Material geeignet sind. In seinem Datenblatt legte Lohmann akribisch Schicht um Schicht frei, um die aufgedruckten Termine zu finden und herauszuschneiden. Für das Objekt Haftbefehl wird eine am Lampenmast rundgeklebte Fläche, wie ein kurioses Präparat der Naturwissenschaft in Kunstharz eingegossen und damit musealisiert. Andere Plakatschichten wurden zu seiner Serie von Orden – sie sind authentischen Orden für kulturelle Leistungen nachempfunden, kritisieren diese nun aber und macht das Kleben als Kulturleistung sichtbar.

„Piercings“ und „Tatoos“ stehen für die Seeleute aus aller Welt, die Hamburg ihr Gesicht gaben und für die Bewohner von St. Pauli – deren kleinkriminelle Halbwelt heute nur noch nostalgisch betrachtet werden kann. Mit seinem „Bettelarmband“ für die Wand, bestehend aus einer in Hartgummi gegossenen Kette mit Hopfenblüte, Eichel und Heuschrecken (Ohne Titel, 2012) greift er die protzige Zurschaustellung von Kapital durch wertvolle Accessoires auf und schließt sie mit dem Charme der Reeperbahn kurz. Das verwendete schwarze Gummi – hier aufwändig zu Schmuckformen gegossen – verweist noch dazu auf Fetischmode und den Zusammenhang von Sex und Geld. Gegenüber der Härte internationaler Geldgeschäfte, wirkt die lokale Prostitutionsszene fast rührend harmlos.

Lohmanns „Mobile“ aus Logos internationaler Investmentbanken – übertragen in Sandwichplatten mit violetter oder himmelblauer Innenfläche und ehemaligen Küchenfronten aus beschichtetet Spanplatte, zaubert ein Schattenspiel an der Wand. Von einem Ventilator leicht bewegt, bilden ihre Naturformen eine Idylle, die im krassen Gegensatz zum Kerngeschäft dieser Hedgefondsverwalter steht. (Naturschauspiel, 2012)

Text: Susanne Burmester